Donnerstag, 15.11.2018

„Helfende Hände? Roboter in Medizin und Pflege“

An der gesellschaftlichen Diskussion um den Einsatz von Robotik in Medizin und Pflege beteiligt sich auch das St. Franziskus-Hospital Münster: Am 7. November 2018 fand auf Einladung der Ethik-Beauftragten des Hospitals, Dr. med. Marita Witteler und Dr. med. Alice Schwab, eine Veranstaltung mit dem Titel „Helfende Hände? Roboter in Medizin und Pflege“ statt. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie das Verhältnis von Mensch und Technik im Krankenhaus in Zukunft zu gestalten ist.

Die Akteure der Veranstaltung, v.l.n.r.: (hinten) Sven Kernebeck M.Sc.PH (Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V.), Prof. Dr. med. Michael Möllmann (Ärztlicher Direktor des St. Franziskus-Hospitals), Alexandra Berlinghoff (Mutter der Patienten), Dr. med. Alice Schwab MAE und Dr. med. Marita Witteler (Ethikbeauftragte des St. Franziskus-Hospitals), Andrea Hoppe (Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin), Prof. Dr. Ipke Wachsmuth (Bielefelder Exzellenzcluster CITEC); (vorne) David und Robin Berlinghoff (Patienten)

Seit einem halben Jahr verfügen David und Robin Berlinghoff über Roboterarme, mit denen sie Schach spielen und kleine Alltagsaufgaben selbst erledigen können.

Wie der Alltag von Menschen mit Handicap durch Robotik erleichtert werden kann, erläuterten zwei jugendliche Patienten bei einem Schachspiel mit ihren Roboterarmen und im Gespräch mit Andrea Hoppe, der betreuenden Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin. Zur Akzeptanz von Robotik in der Pflege referierte Sven Kernebeck M.Sc.HP, Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V.. Prof. Dr. Ipke Wachsmuth vom Bielefelder Exzellenzcluster CITEC stellte einige Chancen und Herausforderungen vor, die mit dem Einsatz von Robotern in der Patientenversorgung verbunden sind. In der abschließenden Diskussion wurde deutlich, dass noch viel Klärungsbedarf zur technischen Machbarkeit sowie zur ethischen Dimension des Einsatzes von Robotik im Krankenhaus besteht.

Die Rollstühle der 15-jährigen Zwillinge Robin und David Berlinghoff, die an Muskeldystrophie Erb-Duchenne leiden und bereits fast alle Muskelfunktionen verloren haben, wurden vor einem halben Jahr mit Roboterarmen ausgestattet. Nun nutzen die Jugendlichen die Rest-Funktionsfähigkeit ihrer Finger, um die Roboterarme zu steuern – vor allem, um zu spielen, aber auch, um kleine Alltagstätigkeiten selbst auszuführen. „Wenn man diese Erkrankung hat, ist nichts mehr selbstverständlich“, erläuterte Andrea Hoppe, die betreuende  Fachärztin für Kinder – und Jugendmedizin. „Mit den Roboterarmen haben David und Robin sich ein Stück Selbständigkeit zurück erobert.“ Doch sowohl die Zwillinge als auch ihre Mutter, Alexandra Berlinghoff, äußerten ihre große Enttäuschung darüber, dass die Technik noch lange nicht ausgereift sei und dass der Gewinn an Lebensqualität weit hinter dem zurückbleibe, was sie sich erhofft hatten.

Der frühere Mitarbeiter des St. Franziskus-Hospitals Sven Kernebeck M.Sc.PH, jetzt Wissenschaftlicher Mitarbeiter des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE), berichtete, dass in ganz Europa, aber selbst in technikaffinen Ländern wie Japan und Korea, die Pflegenden dem Einsatz von Robotik sehr kritisch gegenüber stehen. „Aber je mehr Erfahrung die Pflegenden mit Robotern machen, desto positiver wird ihre Einstellung.“ Kernebecks Appell lautete, Pflegende in die Entwicklung von Robotik-Lösungen einzubeziehen statt sich nur an technischer Machbarkeit zu orientieren.

Prof. Dr. Ipke Wachsmuth vom Bielefelder Exzellenzcluster CITEC forscht zur Robotik in der Patientenversorgung. Als Beispiele für Roboter, die bereits eingesetzt und weiter erprobt werden, nannte Prof. Wachsmuth neben Trage- und Transport-Robotern und einer „Kuschelrobbe“ auch den virtuellen Assistenten Billie, der z.B. helfen kann, einen Tagesablauf zeitlich zu strukturieren. Ein Ziel der technischen Entwicklung sei es, älteren Menschen eine längere Selbständigkeit zu ermöglichen. Angesichts einer ständig älter werdenden Gesellschaft müsse auch die Frage diskutiert werden, in wieweit Roboter menschliche Gesellschaft ersetzen könnten und sollten, erläuterte Prof. Wachsmuth. „Schon heute haben viele ältere Menschen täglich nur noch wenige Minuten Kontakt zu anderen Menschen“, erläuterte er. „Bei der technischen Entwicklung schwingt also auch die Frage nach Robotern als „soziales Gegenüber“ mit.“